In Deutschland sind rund 37.000 junge Menschen ohne festen Wohnsitz – ungefähr zwei Drittel Jungen, ein Drittel Mädchen. Circa 20 Prozent sind minderjährig. Das Deutsche Jugendinstitut hat die Zahlen anhand einer landesweiten Befragung von Fachkräften ermittelt. Bislang gibt es keine bundesweit geregelte Erfassung von Wohnungslosen jeglichen Alters.
Zu den 37.000 jungen Menschen zählen alle, die nicht älter als 26 Jahre und entweder obdach- oder wohnungslos sind, also keinen festen Wohnsitz haben oder sich für unbestimmte Zeit nicht an ihrem gemeldeten Wohnsitz aufhalten. Das sind nicht nur Jugendliche, die ausschließlich auf der Straße leben und schlafen, sondern auch diejenigen, die beispielsweise bei Freunden oder in Notunterkünften unterkommen. Diese Definition von Straßenjugendlichen basiert auf einer Befragung von rund 300 obdach- oder wohnungslosen jungen Menschen in Berlin, Hamburg und Köln, die das DJI 2015/2016 durchführte.
Um die Gesamtzahl der Straßenjugendlichen in Deutschland zu ermitteln, wurden im zweiten Teil der Studie rund 300 Fachkräfte befragt, die den Betroffenen in kommunalen oder freien Einrichtungen Hilfe anbieten. „Dazu mussten einige Angaben nachträglich geschätzt werden“, berichtet Carolin Hoch, die das Projekt „Straßenjugendliche in Deutschland – eine Erhebung zum Ausmaß des Problems“ betreut. Nicht aus allen Stadt- und Landkreisen konnten Einrichtungen recherchiert werden und nicht alle angeschriebenen Fachkräfte haben an der Befragung teilgenommen bzw. die Fragen vollständig beantwortet. Auch bleiben Wohnungslose und Straßenjugendliche in Städten oft „unsichtbar“ und konnten somit vermutlich nicht adäquat erfasst werden. Dies gilt auch für Jugendliche, die nicht selbst aktiv Hilfe suchen. Denn nur ein Drittel der Einrichtungen geht auf die Jugendlichen zu.
Die Befragung der jungen Obdach- oder Wohnungslosen zeigte, dass die meisten Straßenkarrieren beginnen, wenn die Jugendlichen 16 Jahre oder älter sind. „Nur einige der Befragten gaben an, den ersten Kontakt mit der Straße schon vor dem 15. Lebensjahr gehabt zu haben“, so Hoch. Die größte Gruppe der obdachlosen jungen Menschen ist die der 18-Jährigen. Während bis zum Alter von 18 Jahren Mädchen stärker vertreten sind als Jungen, kehrt sich danach das Verhältnis um. Da mit Eintritt der Volljährigkeit die Unterstützung des Jugendamts meist endet, wächst dann das Risiko, dass gefährdete Jugendliche gänzlich und unbemerkt aus den Hilfestrukturen herausfallen.
Die Straßenepisoden dauerten, bezogen auf den Befragungszeitraum von zwei Jahren, bei den Jugendlichen durchschnittlich ein Jahr und verstetigen sich, je älter die Jugendlichen werden. Ein Viertel der Befragten war obdachlos, das heißt sie lebten und schliefen tatsächlich auf der Straße. Die große Mehrzahl fand bei Freunden Unterschlupf. Obwohl zumeist familiäre Gründe als Auslöser für das Leben auf der Straße angegeben wurden, hatten die meisten Jugendlichen weiterhin Kontakt zu ihrem Elternhaus.
Die Mehrzahl der befragten Jugendlichen verfügt über einen Hauptschulabschluss (ca. 42 Prozent); etwa gleich viele haben keinen Schulabschluss oder einen Realschulabschluss (jeweils rund 30 Prozent).
Bezüglich der Wohnsituation zeigen sich Unterschiede in der Nutzung von Hilfestrukturen. Wohnungslose Jugendliche brauchen vor allem Beratungsangebote und haben mit zunehmendem Alter Kontakt zum Jobcenter. Überlebenshilfen werden verstärkt von obdachlosen jungen Menschen in Anspruch genommen, deren Situation sich deutlich dramatischer gestaltet. Die Straßenjugendlichen sind in der Regel von akuter Armut bedroht. Je älter die Befragten sind, desto häufiger erhalten sie staatliche Unterstützung. Jüngere sind eher auf Betteln und die Unterstützung durch Privatpersonen angewiesen. Der Blick in die Zukunft ist dennoch optimistisch: 76 Prozent der Befragten glauben, dass sich ihre Wohnsituation in den nächsten zwölf Monaten deutlich verbessern wird.
Für die zweiteilige Studie wurden zunächst rund 300 Jugendliche, die aktuell auf der Straße leben, und ehemalige Straßenjugendliche in persönlichen Interviews befragt. Der Zugang zu den Jugendlichen erfolgte zumeist über typische Anlaufstellen für junge Menschen ohne festen Wohnsitz, wodurch die Ergebnisse verzerrt sein können, da Betroffene, die keine Hilfen in Anspruch nehmen, nicht in die Erhebung eingebunden werden konnten.
Die zweite Befragung richtete sich an kommunale und freie Einrichtungen und Anlaufstellen für junge obdach- oder wohnungslose Menschen: Rund 300 Fachkräfte wurden online befragt. Ein Großteil der Einrichtungen bietet unabhängig vom Geschlecht Hilfsangebote an. Hinsichtlich des Alters gibt es größere Unterschiede: Ein Drittel der Einrichtungen adressiert nur Volljährige.
Presseerklärung des Deutschen Jugendinstitutes vom 24. März 2017